London ist eine Stadt, wie keine andere auf der Welt, so pulsierend und laut und doch so leise und entspannend. Wenn ich an Glück denke, denke ich an London. Wenn ich an zu Hause denke, denke ich mittlerweile auch an London. Ein Gedanke der sehr lange nicht realistisch schien, ein Traum der mir hätte verwehrt bleiben sollen. Denn, wenn ich an diese Stadt denke, denke ich auch an Geld, viel Geld. Denn diese Stadt ist teuer, teurer als jegliche andere europäische Stadt. Trotzdem war ich überzeugt, ich würde mein Anerkennungsjahr, welches ich für meine Erzieherausbildung brauche, definitiv dort machen. Doch dafür brauche ich viel von dem oben genannten Geld.
Bei einem meiner Vorstellungsgespräche in einem Kindergarten habe ich von Erasmus+ erfahren, der Organisation, die auch Auszubildende ins Ausland schickt. Bis dahin war Erasmus mir nur im Zusammenhang mit Auslandssemestern ein Begriff. Nach wenigen Klicken im Netz habe ich die nötigen Informationen gefunden und mich direkt mit den verantwortlichen Projektkoordinator des Poolprojektes EuroComp in Verbindung gesetzt.
Von diesem Tag an lief alles komplett selbstständig und bevor ich mich versehen konnte, war klar, dass ich eine finanzielle Unterstützung erhalte. Nach einigen E-Mails und Telefonaten und einem unfassbaren Motivationsschreiben wurden die Kleinigkeiten geregelt. Da ich während meiner Ausbildung von meiner Lehrerin besucht werde, hat der Koordinator des Projektes die Gelegenheit genutzt und ist mitgekommen. Ich konnte ihm mein neues Arbeitsfeld zeigen, meine tägliche Arbeit und noch einmal persönlich davon überzeugen, dass ich an der richtigen Stelle gelandet bin. Ich kann meine Zeit hier sehr gut für meine Ausbldung nutzen und meinem Job als Erzieherin jeden Tag mit meiner vollen Energie beginnen.
Manchmal laufe ich morgens durch die Straßen und habe so viel Zufriedenheit und Glück in mir, dass ich nicht weiß wohin damit. Ich bin glücklich über meine Arbeit. Ich bin glücklich über die Chance. Ich bin glücklich über die Stadt. Ich bin glücklich über meine Freunde. Ich bin glücklich über die Veränderung. Aber vor allem bin ich stolz. Einfach mal aus der Komfortzone heraus zu treten sind die Momente, in denen man wächst und sich entwickelt. Nur dann kann man dieses unbeschreibliche Glück finden. Auf der Stelle treten
kann jeder, eine Entwicklung wird er dadurch niemals erleben. Wenn man die Möglichkeit hat, etwas Neues zu machen, den Horizont zu erweitern, zu lernen, weiter zu denken, dann sollte man nach der Chance greifen und sie ganz fest halten. Es ist ein Geschenk, für das man Kämpfen muss. Aber der Kampf lohnt sich!
Besonders glücklich macht mich, dass meine Schule, die mein Vorhaben von Anfang an als unmöglich abgewiegelt hat, jetzt ein Programm einführen möchte, an denen alle folgenden Schülerinnen und Schüler teilnehmen können und das auch diese jungen Menschen in die Welt hinaus schicken soll. Wenn man sich selbst traut, profitiert also nicht nur man selbst, sondern im besten Fall auch noch jemand anderes. Die Grenzen haben sich weiter bewegt, die beste Entwicklung, die ich hätte bewirken können.
Wenn ich früher Fußball gespielt habe, habe ich mich immer ein bisschen auf die Halbzeit gefreut. Es hieß, dass man eine kurze Pause hat, sich nochmal mit seinen Mitspielern – wie wir sie nannten Kollegen – besprechen konnte und dass man nochmal kämpfen muss um zu gewinnen, egal wie es steht. Aber besonders schön fand ich, dass man nur noch einmal so lange spielen musste wie schon gespielt, ich habe mich immer schon aufs Ende gefreut. Und nun bin ich an der Halbzeit meines Auslandsjahres und was soll ich sagen, sie ist so gar nicht wie die des Fußballs. Ich habe keine Pause, sondern der Stress wird mehr. Ich muss alles für die Schule fertig machen, möchte aber auch meine Zeit in London weiter genießen und den Frühling auskosten. Es gibt so viel zu sehen und zu erleben und alles blüht bunt und plötzlich kommt die gesamte Schönheit wieder hervor. Ich bespreche mich nicht mehr mit Kollegen, ich bespreche mich mit Freunden. All diese wunderbaren Menschen, die ich kennen gelernt habe und mir so ans Herz gewachsen sind, prägen mein Jahr hier mit. Sie gestalten es und sind ein wichtiger Teil meines täglichen Lebens. Und das Kämpfen gab es noch nie. Vor dem Jahr, da musste ich Kämpfen für die Möglichkeit, aber seit ich da bin, genieße ich mein tägliches Glück in dieser wunderbaren Stadt zu leben.
Die tägliche Anstrengungen ist Vergnügen und selbst wenn es einen Moment des Kampfes gibt, was viel dramatischer klingt als es ist, bedenke ich all die schönen Momente und schaue mir die Umwelt an und erkennen welches Glück ich habe. Das Glück, dass mir all das ermöglich wurde. Und dafür bin ich dankbar. Denn im Gegenteil zu einem Fußballspiel ist diese Chance etwas Einmaliges. Ich stand Woche für Woche wieder auf dem Platz und hatte eine neue Chance das Beste zu geben, aber das alles hier erlebe ich nur einmal. Aber wie bei jedem Fußballspiel, egal ob gut oder schlecht verlaufen, ich lernte etwas daraus und das haben diese beiden Sachen, die sich eigentlich so fern sind, doch gemeinsam. Ich lerne jeden Tag aus den guten und schlechten Erlebnissen. Dabei habe ich schon so viel gelernt, über die Sprache, die Tradition, die Menschen und mich, dass man fast denken könnte ich hätte die Weisheit mit Löffeln gegessen.
Und das ist vielleicht das ganze Geheimnis hinter einem zufriedenen Leben. Man muss das, was man hat wertschätzen und trotzdem versuchen jede Möglichkeit sein Leben noch ein bisschen besser zu machen am Schopfe zu packen. Wir haben schließlich nur dieses eine Leben und sollten daraus alles machen, was wir wollen. Für mich gehört dazu definitiv die Welt zu erkunden.
Durch mein Leben hier in London habe ich noch mehr Fernweh bekommen und möchte noch mehr Orte besuchen und erfahren. Diese wunderbare Vielfalt, die uns schon in Europa erwartet, sollte erkundet werden, denn dann lernen wir wertzuschätzen, was wir haben. Durch neue Erfahrungen lernen wir so vieles, der Horizont erweitert sich und der Zusammenhalt unserer Gesellschaft und vor allem meiner Generation wird stärker. Das zu Zeiten, wo alles auseinander gleitet und selbst die Demokratie für Abschottung gestimmt hat, ist das Gut, welches wir für unsere Zukunft behalten müssen. Statt neue Keile in eine Gemeinschaft zu treiben oder Menschen voneinander zu trennen, sollten wir füreinander und miteinander einstehen. Mindestens in den Ländern, in denen wir schon mit einander verbunden sind. Das Abklatschen nach jedem Spiel, sich für den anderen freuen, wenn man verloren hat, seinen Teamkollegen in die Arme fallen beim Sieg, dass sind och die Momente, die wirklich im Gedächtnis bleiben, die den Sport prägen. Die Momente, wenn man respektvoll auf die Gegner zu geht und die Leistung anerkennt. Das Miteinander ist am Ende viel wichtiger als die Leistung. Und vielleicht ist genau das, das was ich hier gelernt habe. Es geht um uns und die Chancen, die nicht ergriffen werden, wenn wir alle auf unserem Sofa liegen bleiben.
Eigentlich wollte ich über mein Leben erzählen, mitteilen, was ich mache, aber gerade ist diese Botschaft einfach wichtiger.